Am letzten Samstag gab es in der Türkei einen Putschversuch des Militärs. Auf den ersten Blick mag man eine Fortsetzung der Geschichte erkennen, gab es doch seit der Gründung mehrere erfolgreiche und erfolglose Machtübernahmen des türkisches Militärs.
Erstaunlich ist jedoch zum einen, wie schnell der Putsch niedergeschlagen wurde und zum anderen in welchem Umfang und welcher Geschwindigkeit die Regierung Erdogan gegen angebliche Sympathisanten vorgeht. Erklärter Verantwortlicher für der Umsturzversuch ist die islamisch-konservative Gülen-Bewegung, deren Anführer einst ein enger Verbündeter Erdogans war und seit 1999 in den USA lebt. Es lässt sich trefflich streiten, ob das traditionell laizistisch eingestellt Militär überhaupt mit der Gülen-Bewegung paktiert hätte.
Die sofort nach der Niederschlagung des Putsches gestartet Säuberungswelle kann schon jetzt Zahlen vorweisen, die mehr auf die Abarbeitung vorbereiteter Listen politisch unerwünschter Personen statt auf Rechtsstaatsprinzipien basierender Ermittlungsarbeit schließen lassen. Zu Beginn waren vor allem Militärs, Polizei und Justiz von Verhaftungen (man geht von ca. 7500 Personen aus) und umfangreichen (um die 13.000 Personen) Suspendierungen und Entlassungen betroffen. Als nächstes folgt jetzt das Bildungswesen, in dem über 35.000 Mitarbeiter von ihren Posten entfernt worden sind. Dazu kam noch der Entzug der Lizenzen von mehr als 20 Radio- und Fernsehsendern. Heute wurde berichtet, dass für Akademiker ein Ausreiseverbot besteht.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Putschversuch - es gibt auch Stimmen, die von einer Inszenierung sprechen - gezielt genutzt wird, um dem Umbau des Staates hin zu einem nur noch in Grundzügen demokratischen Präsidialsystem weiter voranzutreiben.
Die Whistleblower-Plattform Wikileaks hat inzwischen über 300.000 E-Mails aus der Archiven der Regierungspartei AKP veröffentlicht. Die darauf folgende Sperrung der Plattform in der Türkei mag man als Trotzreaktion werten. Es bleibt spannend, ob die Auswertung der Daten zu Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Putschversuch und den eigentlichen Drahtziehern führt.